Forderungen

Trotz der Errungenschaften der letzten Jahre zur Verbesserung der Situation von queeren Personen in der Schweiz (Ehe für alle, Erweiterung der Anti-Rassismus-Strafnorm auf die sexuelle Orientierung
etc.) ist die rechtliche Gleichberechtigung für queere Personen in der Schweiz noch nicht erreicht. Auch die gesellschaftliche Akzeptanz hat zwar zugenommen, aber viele Personen aus der Community erleben im Alltag immer noch Diskriminierung und Anfeindungen. Neben gesetzlichen Anpassungen fordern wir daher auch eine gesellschaftliche Veränderung.

Schilder an der BernPride
1

Wir fordern die Erweiterung der Antirassismus-Strafnorm auf trans und intergeschlechtliche Personen!

Das Parlament hat im Dezember 2018 entschieden, die Antirassismus-Strafnorm auf die sexuelle Orientierung zu erweitern, und im Februar 2020 stimmte die Stimmbevölkerung dieser Erweiterung zu.

Somit werden seither auch Personen rechtlich geschützt, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung Diskriminierung erfahren. Jedoch wurde damals die Geschlechtsidentität nicht als «Kriterium» hinzugefügt. Somit ist es in der Schweiz z.B. weiterhin nicht strafbar, einer trans oder intergeschlechtliche Person eine Leistung, die der Allgemeinheit angeboten wird, aufgrund ihrer Identität vorzuenthalten (also z.B. eine trans Person in einem Laden oder Restaurant nicht zu bedienen).

Auch Aufrufe zu Hass gegen trans oder intergeschlechtliche Menschen als Gruppe sind deshalb in der Schweiz nicht strafbar.

In verschiedenen europäischen Ländern (z.B. Österreich, Frankreich, Dänemark oder Niederlande) sieht die Rechtsordnung sowohl einen Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung als auch aufgrund der Geschlechtsidentität oder des Geschlechts vor. Dies fordern wir auch für die Schweiz!

2

Wir fordern die Option eines dritten Geschlechtseintrags auf nationaler Ebene!

Aktuell gibt es im Schweizer Personen­standsregister nur zwei mögliche Geschlechts­einträge: weiblich und männlich. Menschen mit nicht binärer Geschlechts­identität haben also keine Möglichkeit, einen Eintrag vornehmen zu lassen, mit dem sie sich identifizieren können. Somit wird ihnen die Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität durch den Staat verwehrt.

Im Oktober 2020 nahm die nationale Ethik­kommission zu diesem Thema Stellung und empfahl in einem ersten Schritt eine dritte Eintragungsmöglichkeit. Zudem empfahl die Kommission als weiteren Schritt, einen Prozess zur allgemeinen Abschaffung des Geschlechtseintrages anzustossen. Entgegen dieser Empfehlungen erachtete der Bundesrat im Dezember 2022 «die gesellschaftlichen Voraussetzungen für die Einführung eines dritten Geschlechts oder für einen generellen Verzicht auf den Geschlechtseintrag … (als) nicht gegeben».

Dass ein Diskurs in der Gesellschaft bereits stattfindet, liess der Bundesrat dabei ausser Acht. Zudem nimmt eine dritte Geschlechtskategorie niemandem etwas weg, bedeutet für die betroffenen Personen aber sehr viel.

Die Anerkennung des dritten Geschlechts­eintrages ist ein wichtiger Schritt, um Diskriminierungen zu verhindern und die Toleranz für Geschlechtsidentitäten zu erhöhen.

Wir fordern daher, wie von der Ethikkommission empfohlen, die Option eines dritten Geschlechts­eintrags auf nationaler Ebene, damit nicht binäre Personen vom Staat endlich anerkannt werden!

3

Wir fordern ein explizites und wirksames Verbot von jeder Form von «Konversions­therapie»!

«Konversionstherapie» beschreibt jeden Versuch, die sexuelle Orientierung oder Geschlechts­identität oder -ausdruck einer Person zu ändern.

Die wissen­schaftliche Evidenz zu «Konversions­­therapien» und deren Schäden ist klar: Sie wirken nicht, haben aber schädliche Effekte. Sie können Menschen dazu drängen, ihre sexuelle Orientierung und/oder Geschlechtsidentität zu verbergen, was zu anderen Problemen wie Depressionen, sexuellen Problemen und geringem Selbstwertgefühl führen kann.

Veränderungs-Bemühungen in der Jugend sind besonders schädlich und können Depression, Selbstmord­gedanken und Selbstmordversuche im jungen Erwachsenenalter erhöhen.

Aufgrund dieser klaren wissen­schaftlichen Erkenntnisse fordern wir ein schweizweites Verbot für jegliche Art von «Konversions­­therapien»!

4

Wir fordern ein Verbot von medizinisch nicht notwendigen Operationen an inter­geschlechtlichen Kindern!

Frühe Operationen an intergeschlechtlichen Kindern werden in der Schweiz zum Teil immer noch durchgeführt, auch wenn sie medizinisch aufschiebbar wären. Dies geschieht oft ohne die Zustimmung der betroffenen Kinder, was eine Verletzung ihrer Selbstbestimmung und körperlichen Integrität ist. Dies kann später zu körperlichen und psychischen Schäden führen.

Viele Personen, bei denen solche Eingriffe durchgeführt wurden, haben als Erwachsene ihre Unzufriedenheit diesbezüglich geäussert. Anstelle von frühen Operationen ohne Zustimmung sind Aufklärung, soziale Unterstützung und Entstigmatisierung wichtig.

Trotz der Ablehnung einer 2022 eingereichten Motion für ein Verbot solcher Operationen und der Lancierung und Annahme einer Kommissionsmotion der RK-S 2023, die eine Erstellung von Richtlinien für die «Verbesserung der Behandlung von Kindern, die mit einer Variation der geschlechtlichen Entwicklung geboren wurden» durch die SAMW verlangt, fordern wir, ein strafrechtliches Verbot von nicht lebensnotwendigen oder für die Gesundheit von Kindern nicht zwingenden Geschlechts verändernden Eingriffen ohne ihre freie und informierte Einwilligung! Richtlinien sind rechtlich nicht bindend und verändern die momentane Situation in keinster Weise!

5

Wir fordern eine Verbesserung der rechtlichen Absicherung von Regenbogen­familien und einen gleichberechtigten Zugang zur Fortpflanzungs­medizin!

Mit der «Ehe für alle» wurden wichtige Schritte zur rechtlichen Anerkennung der Lebensrealitäten von Regenbogenfamilien in der Schweiz erreicht, u.a. die Öffnung der gemeinschaftlichen Adoption und der anonymen Samenspende für verheiratete Frauenpaare.

Jedoch ist damit noch nicht alles geregelt und noch keine vollständige rechtliche Gleichstellung von Regenbogenfamilien erreicht. Die Kosten für Reproduktionsmedizin müssen grösstenteils selbst getragen werden, was den Zugang hierzu erschwert bzw. zum Teil verunmöglicht. Es muss möglich sein, dass das Eltern-Kind-Verhältnis unabhängig von den Umständen der Zeugung und der Familienkonstellation sofort rechtlich abgesichert werden kann.

Hierzu gehören u.a. die Möglichkeit des Zugangs zur Leihmutterschaft mit umgehender Eintragung der betreuenden Eltern im Zivilstandsregister und die rechtliche Anerkennung der Mehrelternschaft.

Wir fordern, dass gesetzliche Regelungen und Absicherungen, welche Kinder und ihre betreuenden Eltern betreffen, unabhängig von deren Geschlechtsidentität, Zivilstand, sexueller Orientierung und Familiensetting bestehen.

6

Wir fordern die sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität als ausdrücklich anerkannten Fluchtgrund!

Wir fordern umfassende rechtliche Schutzmassnahmen und Gleichstellungs­initiativen für geflüchtete queere Personen.

Dies beinhaltet die Anerkennung und Respektierung ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität als Fluchtgründe, sowie die Schaffung spezieller Schutzmassnahmen, wie zum Beispiel Räume für queere Personen um Diskriminierung, Gewalt und Verfolgung aufgrund von LGBTQ+ Status zu verhindern.

Konkret setzen wir uns dafür ein, dass die Asylverfahren unter Berücksichtigung der spezifischen Herausforderungen von queeren Geflüchteten gestaltet werden. Dies schliesst eine geschulte und sensibilisierte Aufnahme der Asylsuchenden durch Gerichte, Behörden und Mitarbeiter*innen in Empfangs- und Asylunterkünften ein.

Zudem sollte das Recht auf Asyl für queere Personen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität verfolgt werden, in den schweizerischen Asylgesetzen explizit verankert werden.

7

Wir fordern mehr sichere Orte für die queere Community – auch in der Gesundheits­versorgung!

Wir setzen uns dafür ein, dass verstärkt Massnahmen ergriffen werden, um sichere Orte für die queere Community zu schaffen. Die Schaffung und Unterstützung solcher Orte ist von entscheidender Bedeutung, um die Sicherheit, das Wohlbefinden und die soziale Integration von queeren Personen in der Schweiz zu fördern.

Dabei gilt es, die finanzielle Unterstützung für etablierte queere Einrichtungen gezielt zu stärken und für neue Initiativen ebenfalls zugänglich zu machen, insbesondere in den ländlichen Regionen. Ein barrierefreier Zugang muss gewährleistet sein, damit queere Personen unabhängig von ihrer finanziellen Lage, ihrem Wohnort oder anderen persönlichen Umständen diese Einrichtungen nutzen können.

Auch medizinische Angebote für queere Personen mit spezifisch geschulten und sensibilisiertem Personal sollen erweitert und flächendeckender angeboten werden, insbesondere ausserhalb der grossen Städte.

Dies soll in Partnerschaft mit LGBTQ+ Organisationen geschehen. Zudem soll die Vielfalt und Inklusion in entsprechenden staatlichen Programmen und Initiativen gefördert werden.

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